Was unterscheidet die Motoren der Dresdner und der Berliner Straßenbahn? Bei den Berlinern wird jedes Rad einzeln angetrieben, deshalb brauchen sie mehr aber auch kleinere Motoren. Bei ihrem Besuch im VEM Sachsenwerk am 14. Mai konnten sich Mitglieder von proDresden über die Vielfalt in dem Traditionswerk überzeugen. Geschäftsführer Dr. Torsten Kuntze führte sie durch die Produktion. Das Werk, dessen Ursprünge bis 1886 reichen, produziert elektrische Motoren und Antriebe im Leistungsbereich von 0,06 Kilowatt bis 60 Megawatt. An das Werk von Bombardier Transportation werden derzeit luftgekühlte Motoren mit einer Leistung von 85 Kilowatt für Bahnen „Flexity Classic Dresden“ geliefert. In Kürze werden diese dann bei den Dresdner Verkehrsbetrieben eingesetzt.
Das Sachsenwerk, eines der zehn größten Unternehmen in Dresden, gehört zur VEM-Gruppe. Daneben gibt es die Werke VEM motors GmbH in Wernigerode und VEM motors Thurm in Zwickau sowie Produktionsstätten in der Slowakei und in Tschechien. Die Gruppe beschäftigt insgesamt 1.500 Mitarbeiter und erzielt einen Gesamtumsatz von 200 Millionen Euro im Jahr. Das Unternehmen hat eine wechselvolle Geschichte. Im April 1990 wurde das ehemalige DDR-Kombinat zur VEM Antriebstechnik AG umgewandelt, es war die erste Aktiengesellschaft der neuen Bundesländer. Neben der VEM Sachsenwerk GmbH gehörten VEM Elektromotorenwerk Wernigerode und VEM Elektromotorenwerk Thurm GmbH dazu. In den Folgejahren brachen aber die Umsätze ein. 1997 stieg Firmengruppe der Blaubeurener Unternehmerfamilie Dr. A. Merckle ein. 2011 kaufte das Sachsenwerk die Berliner Firma transresch Antriebssysteme Berlin GmbH. Drei Jahre später erfolgte deren Umzug nach Dresden. Das Unternehmen erlebte Auftragshochs und Einbrüche. Dank seiner Branchenvielfalt fand es immer eine Nische. So liefert VEM Antriebe für die Verkehrstechnik, den Maschinen- und Anlagenbau, für Wassertechnik und den Kraftwerksbau, für Stahl-und Walzwerke, die Zement- und Bergbauindustrie sowie die Chemie-, Öl- und Gasindustrie. Windkrafträder und Schiffsgeneratoren sind ebenfalls Einsatzgebiete. Derzeit schwächeln der Bereich erneuerbare Energien, dafür erfahren Kreuzfahrtschiffe geradezu einen Boom. „Zweidrittel unserer Großmotoren nehmen wir selbst in Betrieb. Von rund 600 Mitarbeitern am VEM Standort Dresden sind etwa 30 weltweit im Service im Einsatz“, sagt Kuntze. Der 54-Jährige hat an der TU Dresden Elektrotechnik studiert und dort promoviert. Später war er beispielsweise in China, Indien und Brasilien im Einsatz. 2006 kam er zurück. Seit 18 Monaten steigt die Zahl der Auftragseingänge wieder. Derzeit schaffe das Unternehmen eine schwarze Null, für die kommenden Jahre rechnet Kuntze wieder mit Gewinnen.
Dennoch passte die VEM Gruppe nicht mehr so recht in das Merckle-Portfolio. Sie sind mit den Milliarden-Umsätzen, die Merckle-Unternehmen beispielsweise in der Zement- und Pharmabranche erzielen, nicht vergleichbar. So hat Merckle die VEM-Gruppe verkauft. Der Vertrag mit dem chinesischen Familieninvestor Wang wurde am 30. September 2017 besiegelt.
Dr. Kuntze setzt auf Optimismus. Das Familienunternehmen Wang habe von Anfang an sein Interesse bekundet, die Marke VEM und die deutsche Führung zu erhalten. Vertriebsleiter Ralf Hanauer erwartet für VEM zugleich einen leichteren Zugang zum chinesischen Markt. Kleinere Kompressoren für die Petrochemie seien bereits nach China geliefert worden, zwei große sind bestellt und vier weitere Angebote werden derzeit bearbeitet. In Shanghai gibt es seit Februar das Unternehmen VEM China mit 18 Mitarbeitern, die sich um Aufträge für die drei Werke in Deutschland bemühen.