Schnell mal eine Rosine aus der großen Schüssel stibitzt. In Rum eingelegt, duftet sie auch zu verführerisch. Bäckermeister Andreas Wippler hat bereits alle Zutaten für einen echten Dresdner Christstollen vorbereitet. Rund 120 Betriebe in und um Dresden dürfen das begehrte Backwerk mit dem Gütesiegel herstellen. Die Vorschriften des Stollenschutzverbandes sind streng. „Und dennoch hat jede Bäckerei ihr besonderes Rezept“, verrät der 41-jährige Firmenchef.
Der Stollenteig ist besonders gehaltvoll: Während beim klassischen Kuchen auf 100 Gramm Mehl etwa 60 bis 70 Gramm weitere Zutaten kommen, sind es beim Stollen 250. Nach Wipplers Anweisung fügen Vereinsmitglieder allein fünf Kilogramm gute Butter dem aus zehn Kilogramm Mehl gefertigten Vorteig hinzu. Die süßen Mandeln sind bei Wippler gestiftet und gehackt sowie in Rum getränkt, wie übrigens auch die Rosinen. So lassen sich die Mandeln später im Stollen besser herausschmecken. Der Anteil an süßen und bitteren Mandeln beträgt insgesamt 15 Prozent. 20 Prozent sind es bei Zitronat und Orangeat. Bevor der Teig kräftig durchgeknetet wird, kommen Salz und Gewürze sowie ein wenig Milch hinein. Dann muss das Hefestück erneut gehen.
In der Zwischenzeit stellt Wippler in der Konditorei das Unternehmen vor, das er gemeinsam mit seiner Frau Doreen in vierter Generation leitet. Im Hintergrund sind die Eltern Michael und Deloris noch aktiv. 1910 hatten Max und Elisabeth Wippler die Familientradition in Dresden begründet. Seit Anfang 1919 ist die Bäckerei in Hosterwitz zu Hause. Doch die war mit 38 Quadratmetern zu klein geworden. Seit nunmehr zehn Jahren wiederum lädt nun die Backwirtschaft Pillnitz ein. Die sächsische „Melange“ aus Café, Bäckerei- und Konditorei-Handwerksbetrieb, Kuchen-Garten und „Bäckerei-Museum“ im denkmalgeschützten Dreiseitenhof habe sich schnell zu seinem echten Anziehungspunkt entwickelt, sagt Andreas Wippler. Die Nachfrage ist besonders in den Sommermonaten sehr groß. „Heute schmunzeln wir über unsere damaligen Umsatzprognosen.“ Wippler plant bereits eine „Backwirtschaft 2.0“ in Richtung des neuen Parkplatzes am Ortsausgang Pillnitz. „Es gibt dazu Ideen, vielleicht dauert es aber auch noch zwei, drei Jahre“, erklärt er.
Die Bäckerei hat neben der Backwirtschaft Pillnitz weitere Verkaufsstellen im Penny-Markt Hosterwitz, in den Loschwitz-Arkaden sowie im Netto-Markt Weißig. Die Schwester und Konditormeisterin Kathrin Wippler führt das Café am Körnerplatz sowie die frühere Bäckerei in Hosterwitz.
Um 1 Uhr in der Nacht gehen in der Backstube die Lichter an, eine Stunde später in der Konditorei. Wippler spricht scherzhaft von den Helden der Nacht und den Rettern des Morgens. Wenn die letzten Mitarbeiterinnen das Café schließen, geht es auf 20 Uhr zu. Rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen auf den Gehaltslisten. Gern würde Wippler weitere Bäcker einstellen. Lehrlingen und Praktikanten bietet das Unternehmen eine eigene Wohngemeinschaft unter dem Dach der Backwirtschaft. Credo des Unternehmens bleibe die handwerkliche Tradition weitgehend ohne Maschinen, deshalb sind auch mehr als 50 Prozent der Ausgaben Personalkosten. Dennoch ist Andreas Wippler Neuem gegenüber aufgeschlossen. So werden Teiglinge für den nächsten Tag vorproduziert und reifen langsam in einer Kälteanlage. Langzeitführung nennt er das Verfahren. Das bringe nicht nur Vorteile beim Zeitmanagement, sondern auch bei der Qualität der kleinen Weizengebäckstücke. In der Verkaufsstelle in Weißig werden Brötchen auch vor Ort gebacken.
„Wir sind sehr beeindruckt von der Entwicklung des Unternehmens und der handwerklichen Tradition“, sagt proDresden-Vorstand Gunther Seifert. Für Firmenpräsente bietet Wippler auf Wunsch auch spezielle Einleger für die Stollen- und Tortenkartons.
Doch genug geplaudert, der Teig wartet auf die Rosinen. 80 Prozent davon kommen im Verhältnis zum Mehl bei Wippler hinein. Der Schutzverband schreibt mindestens 60 Prozent vor. Nun wird der Teig erneut geknetet. Nun wiegen die Gäste jeweils zwei Kilogramm für ihren Stollen ab, sie kneten den Teig erneut und formen zunächst eine Kugel. Es ist ganz schön anstrengend, bis am Ende die längliche Rolle aufs Backblech gelegt werden kann. Wippler fertigt parallel gleich zwei Stollen. Mit einem Messer ritzen die Hobbybäcker zum Schluss ihren Stollen längs ein, damit er später seine typische Form erhält. Dann ab in den Backofen.
„Nun können wir zum Weihnachtsfest mit unserem selbstgebackenen Stollen glänzen“, scherzt proDresden-Geschäftsführerin Birgit Monßen.