Der Verein proDresden e.V. und die Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Dresden haben sich zum Wirtschaftsstammtisch mit der Frage „Wie gelingt der DVB AG in Dresden die Mobilitätswende für den Nahverkehr der Zukunft?“
Doch bevor DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach über die Gegenwart und Zukunft informierte, befassten sich die meisten Gäste im Straßenbahnmuseum Dresden erst einmal mit der Vergangenheit. Vor 150 Jahren gab es in der Stadt die erste Straßenbahnlinie. Pferde zogen die Wagen. 1839 fuhren die ersten Bahnen mit Elektroantrieb. Seit 30 Jahren, am 4. Juni wird das Jubiläum gefeiert, haben Vereinsmitglieder Triebwagen im Museum liebevoll restauriert. Die älteste Bahn, eine Berolina, wurde 1902 gebaut, die jüngste, eine Tatra, stammt aus dem Jahr 1985.
Die Dresdner Verkehrsbetriebe AG kann auf eine Erfolgsgeschichte verweisen. Hinsichtlich der Kundenzufriedenheit landeten sie immer auf den vordersten Plätzen, Fahrgastzahlen und Erlöse stiegen jedes Jahr. Neue Fahrzeuge, Ausbau der Strecken, ein besseres Angebot, die DVB tun viel, um die Kunden zum Umstieg vom Auto in Bahn und Bus anzuregen.
Doch nun müssen Andreas Hemmersbach und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen herbe Rückschläge verkraften. Bis 2018 lagen die jährlichen Verluste, die über die Technischen Werke Dresden ausgeglichen werden, unter 40 Millionen Euro. Die 50-Millionen-Marke wurde 2020 überschritten. Für dieses Jahr werden im Licht des Ukraine-Kriegs und notwendiger Anpassungen der Personalvergütung etwa 75 Millionen erwartet. Oberbürgermeister Dirk Hilbert rechnet in naher Zukunft gar mit 100 Millionen Euro, wenn nichts geschieht.
Für die Kostensteigerung gibt es mehrere Ursachen: Durch die Corona-Pandemie und das damit verbundene Homeoffice sanken die Fahrgastzahlen und damit die Einnahmen. Zusätzliche Aufwendungen beispielsweise für Hygienemaßnahmen waren erforderlich. „Aber wir sind immer gefahren und haben das Angebot nicht eingeschränkt“, sagt Andreas Hemmersbach. Durch den Rettungsschirm des Bundes, seien diese Verluste einigermaßen ausgeglichen worden und die DVB halbwegs unbeschadet über die Runden gekommen. „Die Fahrgastzahlen steigen inzwischen wieder“, freut sich Hemmersbach
Mit seinem Entlastungspaket hat nun der Bund ein 9-Euro-Ticket für den gesamten bundesweiten Nahverkehr für die Monate Juni, Juli, August angekündigt. Auch hierfür soll es einen Ausgleich für die rund 130.000 Abo-Kunden der DVB geben. 2,5 Milliarden Euro lässt sich der Bund die Nahverkehrsoffensive insgesamt kosten. Ob das alle Kosten deckt, ist dennoch fraglich. „Wir hätten uns viel mehr langfristige Investitionen gewünscht, Geld für Elektrobusse beispielsweise“, so der DVB-Vorstand.
Ein weiterer Kostentreiber sind die Energiekosten und Bauleistungen, die seit Beginn des Ukraine-Krieges noch stärker als zuvor nach oben galoppieren. Sie treiben die Inflation.
Knapp 2.000 Mitarbeitende zählen die DVB. 2020 betrugen die Personalkosten rund 95 Millionen Euro. Das waren 2,8 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Dabei haben die DVB den schlechtesten ÖPNV-Tarifvertrag in der ganzen Bundesrepublik. Große Herausforderung sei es, am Arbeitsmarkt mit einer marktgerechten Vergütung aufzuwarten. Doch für das Unternehmen erfordert dies etwa elf Millionen Euro Mehrkosten im Jahr, ohne auch nur einen Cent höhere Einnahmen. Angesichts der ohnehin engen Personaldecke ist es erforderlich, dass nicht nur die unterste Gruppe einen Zuschlag bekommt.
Die Stadt Dresden als hundertprozentiger Anteilseigener der DVB sucht nach Auswegen. So hat Obermeister Dirk Hilbert das Dresdner Beratungsunternehmen Probst & Consorten um eine Analyse und um Vorschläge zur Gestaltung der Verkehrswende gebeten.
Seit Januar werden die Ergebnisse in Begleitgremien besprochen. „Anfangs hatten wir etwa 50 mögliche Maßnahmen“, erläutert Dirk Hilbert beim Wirtschaftsstammtisch. Im Juni nun soll es die nächste Diskussionsrunde über ein mehrheitsfähiges Maßnahmenbündel geben. Die Entscheidung trifft der Stadtrat, schließlich muss er auch über den DVB-Zuschuss in den Haushalten der nächsten Jahre entscheiden. Clemens Kahrs von Probst & Consorten bestätigte erste mögliche Maßnahmen. Dazu gehört es, das Jobticket auszubauen, damit es auch für kleiner Unternehmen eine Alternative ist.
Ganz im Sinne der Mobilitätswende – laut Stadtratsbeschluss sollen 2030 etwa 30 Prozent aller Wege in Dresden mit Bus und Bahn zurückgelegt werden – müsse die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs steigen.
Schon seit längerer Zeit entstehen in Dresden sogenannte MoBi-Punkte, an denen die DVB-Kunden bevorzugt Fahrräder und Car-Sharing-Fahrzeuge nutzen können. Zudem sind neue Preismodelle in der Diskussion. Im Dresdner Norden werden die VDB in Kürze ein Shuttle-on-demand-Angebot testen. In Kürze verspricht Hemmersbach dazu nähere Details.
Da Parkraum knapp ist, wird vorgeschlagen, dass sich die Jahresgebühr fürs Anwohnerparken und die dafür vorgesehenen Flächen gravierend erhöhen. Die fünffache Jahresgebühr ist dabei im Gespräch. Kurzzeitparken in der Innenstadt könnte im Gegenzug günstiger werden, um den Handel zu fördern. Es gibt auch Überlegungen, Vermieter einzubinden. Abo-Karten könnten mit Stellplatzabgaben verrechnet werden. Noch ist vieles in der Diskussion.