Oberbürgermeister Dirk Hilbert zieht eine positive Wirtschaftsbilanz

Chip-Standort wird ausgebaut, Bundesgartenschau 2033 mit zwei Großprojekten, Klimaneutralität bis 2030 nicht zu schaffen, aber Dresden wurde Leuchtturmstadt

Überall sind negative Meldungen über die Wirtschaft und über multiple Krisen im Lande zu lesen. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert will nichts beschönigen, dennoch setzte er beim Wirtschaftsstammtisch von proDresden e.V. und Stadt auf das Kontrastprogramm. „Der Standort Dresden entwickelt sich außerordentlich positiv“, erklärte der FDP-Politiker im Schloss Albrechtsberg vor den Wirtschaftsvertretern. Das spiegele sich im deutlichen Zuwachs bei den Steuern wider. Dafür dankte der Oberbürgermeister den Unternehmern.

Zunächst verblüffte der OB bei seinem Vortrag mit einem ungewöhnlichen Foto. Es zeigt das erste Haus weltweit, das im September an der Einsteinstraße am TU-Campus aus Carbon-Beton errichtet wurde. Entwickelt wurde das Leichtbaumaterial, das den Kohlendioxid-Ausstoß in der Bauindustrie immens reduzieren kann, von TU-Professor Manfred Curbach und seinem Team C3-Carbon, Concrete, Composite. „Wir planen den Bau einer Turnhalle mit Carbon-Beton und nutzen das Material für die Verbreiterung der Carolabrücke“, erklärte Hilbert.

Wirtschafts- und Forschungsstandort ausgebaut

In Dresden wurde der Forschungs- und Wirtschaftsstandort weiter ausgebaut. Als Beispiele nannte er die Eröffnung des Fraunhofer Advanced CMOS & Heterointegration sowie den Neubau des Institutsgebäude Fraunhofer IIS/EAS.

Im Juli eröffnete das US-Autoelektronikunternehmen Indie Semiconductor sein Chip-Entwicklungszentrum in Dresden. Die deutsche Tochtergesellschaft entwickelt vor allem digital-analoge-Mischschaltkreise für die Automobilindustrie in Europa, im Nahen Osten und in Afrika, speziell auch Chips für die Fahrsicherheit, für Elektroautos und für die Automatisierung.

Im September erfolgte der feierliche Spatenstich für eine Hightech-Fab von Jenoptik. Das Unternehmen investiert im Dresdner Airport-Park über 70 Millionen Euro in eine neue Produktion für Mikrooptiken und Sensoren. Wenig später verkündete Bosch, seine 2021 eingeweihte Fab zu erweitern und zudem in ein Halbleiter-Entwicklungszentrum in Dresden zu investieren.

Das größte Highlight ist die kürzliche Ankündigung von Infineon, fünf Milliarden Euro für ein großes neues Chipwerk in Dresden ausgeben zu wollen. „Bei früheren Chipfabriken lag die Investitionssumme zwischen einer und eineinhalb Milliarden Euro“, ordnete der OB das Vorhaben ein. Das sei eine tolle Entscheidung für Europas größten Halbleiterstandort. Die Fabrik soll bis zu tausend neue Arbeitsplätze schaffen und könnte nach jetzigen Planungen im Herbst 2026 produktionsbereit sein, so Medienberichte.

All diese spektakulären Entscheidungen seien in Partnerschaft mit der EU, dem Bund und dem Land vorbereitet worden. Durch eine Verdoppelung beim Ausbau der Infrastruktur im Dresdner Norden beispielsweise bereite die Stadt den Boden für weitere Investitionen, so der Oberbürgermeister.  Ausdrücklich dankte er seinen Mitarbeitern in der Wirtschaftsförderung. Vielleicht hätte Dresden längst auch eine sanierte Königsbrücker Straße, wenn sie diese Aufgabe übernommen hätten?

Gründungszentren brauchen mehr Platz

Ausführlich widmet sich Dirk Hilbert dem Thema Startup-Zentren, bei dem es gegenwärtig einen starken Ausbau gibt. So sei der 2019 fertiggewordene Erweiterungsbau im Gewerbehofzentrum Löbtauer Straße schnell vermietet gewesen. Deshalb entsteht dort derzeit ein vierter Komplex. Ausgebaut soll ebenso das Startup-Zentrum Universelle Werke. Nach einer langen Pause wird nun auch das Gründer- und Innovationszentrum an der Gostritzer Straße erweitert. Ursprünglich gab es dort ein Fünffinger-Konzept. Der dritte Teil ist im Bau und für den vierten und fünften Komplex wurde kürzlich der Grundstein gelegt.

Schon seit sehr langer Zeit beklagt die Biotechnologie fehlende Flächen. Auch hier hat die Stadt endlich die Weichen gestellt: Die Immobilie des Schulverwaltungsamts wird abgerissen und an dieser Stelle an der Fiedlerstraße ein Startup-Zentrum für die Biotechnologie gebaut.

Vernetzungs-Spezialisten im Ostragehege

Als ein Lieblingsprojekt bezeichnete Hilbert die Entwicklung im Ostragehege. Dort sind beispielsweise die Messe, das Sportgymnasium und die Veranstaltungshallen angesiedelt. Nun werden auch die Jahrzehnte verfallenen Gebäude des einstigen Amtsschlachthofs von privaten Bauherren saniert und durch Neubauten ergänzt. Hilbert spricht vom IT und Connectivity Campus. In die frühere Fettschmelze sind Startups wie auch die TU-Ausgründung Senorics eingezogen.  Der Mobilfunkspezialist Vodafone errichtet ein neues Entwicklungszentrum zur Zukunft der Digitalisierung. Dabei geht es neben Mobilfunkthemen um Vernetzung in der Medizin, Landwirtschaft und Robotik. Dazu wird die ehemalige Schlachthaus-Glasschmelze saniert, daneben entsteht ein dreigeschossiger Bau mit viel Glas. In kurzer Zeit finden im Ostragehege rund 2.000 Menschen einen neuen Arbeitsplatz. Es gibt zwar eine Straßenbahnverbindung, aber der kurze Weg über die Elbe wäre ideal. „Wir benötigen einen Brückenschlag, aber das dauert in dieser Stadt erfahrungsgemäß sehr lang. Deshalb schlage ich eine Fährverbindung nach Pieschen vor“, kündigte Hilbert an. Bei der Gelegenheit erläuterte er auch, den Mentalitätswechsel und die Digitalisierung im künftigen städtischen Verwaltungszentrum.

Eine Bestätigung findet Hilbert durch den dritten Platz beim Bitkom Smart City Index. Das ist ein Ranking der deutschen Großstädte, das der Digitalverband Bitkom in 2022 zum vierten Mal erhoben hat. Mit steigender Tendenz landete Dresden in diesem Jahr hinter Hamburg und München.

Südpark und Blaues Band Gerberbach

Dirk Hilbert setzt sich bekanntlich für die Bundesgartenschau 2033 ein. Er hat dazu die Technische Universität, den Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Sachsen sowie den Bund Deutscher Landesarchitekten als Partner gewonnen und hofft zum Jahresende auf die Zustimmung des Stadtrats für eine entsprechende Machbarkeitsstudie. Dresden hat eine lange Tradition im Gartenbau und etwa einen Grünflächenanteil von 60 Prozent. Mit der Bundesgartenschau sollen zwei große Grünzüge geplant werden: Der Südpark und das Blaue Band Gerberbach. Ähnlich wie bei der Bundesgartenschau in Erfurt im vergangenen Jahr wird auch das Umland einbezogen. Der in den TU-Campus integrierte Südpark wäre auch ein würdiger Beitrag zum 200-jährigen TU-Jubiläum 2028.

Pilotprojekte zur Klimaneutralität

Weniger erfreulich ist es, dass die sächsische Landeshauptstadt ihr selbsterklärtes Ziel zur Klimaneutralität 2030 beziehungsweise 2035 nicht erreichen kann.  Dresden wurde von der EU als eine von hundert Städten und eine von neun deutschen Städten als Leuchtturmstädte ausgewählt. Gemeinsam mit Partnern wie SachsenEnergie, Wohnen in Dresden (WiD) und Vonovia beginne die Stadt mit Pilotprojekten wie an der Jessener Straße und der Pillnitzer Landstraße. In seinem Vortrag stellte Hilbert stichpunktartig die Schwerpunkte zur Energieversorgungssicherheit vor. Doch es sei nicht trivial, denn noch hänge die Wärmeversorgung der Stadt zu 95 Prozent am Gas.

27. März 2023
außerordentliche Mitgliederversammlung

24. April 2023
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